Die Kriegsmarine
Ungerüstet in den Krieg
Hätte man Ernst Raeder und seine fähigen Untergebenen einfach arbeiten lassen und ihnen die nötige Zeit gewährt, wäre der Wiederaufbau der Kriegsmarine für die Royal Navy ein ernsthaftes problem geworden, welches die britische Vorherrschaft zur See gefährdet hätte. Bei Kriegsausbruch befand Raeder seine Marine für die vorgesehenen Vorhaben als schlecht gerüstet . (bei Zugrundelegung des sehr umfangreichen Flottenneubauvorhabens, nämlich des Z-Plans, wäre der Zeitpunkt für eine optimale Flottenstruktur erst 1948 erreicht worden, hätte man friedensmäßig weiterrrüsten können. Die Durchführung dieses Plans wurde zusätzlich durch Hitler erschwert, der leider keine Kenntnisse über Marinetaktik und -strategie besaß, obwohl das Bild in der öffentlichkeit anders aussah. Raeder konnte wenig an den Plänen Hitlers zum Aufbau einer Schlachtschiff-Flotte ändern: immer wenn er auf die Wichtigkeit der U-Boote und leichter, schneller Einheiten hinwies, wurde er wie an einem Führring aus der Arena gezogen.
Der Führer der Kriegsmarine. Links: Grossadmiral Erich Raeder, Chef bis 1943. Rechts: Grossadmiral Karl Dönitz, Chef bis 1945, als er zweiter und letzter Führer des Dritten Deutschen Reiches wurde.
Erschwerend kam dazu, daß Hermann Göring als Leiter der Luftwaffe dauernd in die Entwicklungen eingriff. Solche ministerial-übergreifenden Rangeleien und Selbstüber-schätzungen vieler Mitglieder der Führungsschiene sowie Hitlers großartige Pläne gingen während des ganzen Krieges zu Lasten von Berufssoldaten wie Raeder und Dönitz und vielen anderen, deren Pläne dadurch unausführbar wurden. Dönitz verlangte zur Niederringung Englands z.B. 300 U-boote; zum Zeitpunkt des Kriegsausbruches im September 1939 hatter er mal gerade sechzig Stück.
In seinen Memoiren beklagte sich Dönitz , daß die Kriegsmarine zum Zeitpunkt der Kriegserklärung mehr ein "Torso ohne Glieder" sei und dabei so schwächlich ausgestattet, daß man dem Gegner höchstens "ein paar Nadelstiche" beibringen könne. (Dönitz, Erinnerungen: Zehn Jahre und zwanzig Tage). Rein statistisch gesehen war die Royal Navy der Kriegsmarine zehnfach überlegen. Wenigstens anfänglich wurde der Pessimismus Dönitz' durch den großartigen Einsatz seiner Soldaten Lügen gestraft, aber als im weiteren Kriegsverlauf die Schwächen der Kriegsmarine immer sichtbarer wurden, konnten die anfänglichen Bedenken nicht mehr zerstreut werden.
überraschende Erfolge
Trotz der Befürchtungen der Leitung der Kriegsmarine schlug sich diese zu Anfang des Krieges überraschend tapfer; besonders die Uboote richteten im Nordatlantik in den alliierten Marinen bereits wenige Wochen nach der Kriegserklärung größten Schaden an,darunter auch Günther Prien mit seinem Angriff auf die HMS Royal Oak bei Scapa Flow. Der englische Kampfgeist lag ganz danieder, wohingegen der deutsche sich auf einem Höhepunkt befand. Daran schlossen sich eine Anzahl erfolgreicher Feldzüge an wie die Besetzung Norwegens (Fall Gelb), bei der wesentliche Beteiligung der Kriegsmarine aus-schlaggebend war. Die Zeit 1939 bis40 wurde von den U-boot-Besatzungen als die "glückhafte Zeit" bezeichnet, so fast ohne gegnerische Abwehr und vielen lohnenden Prisen auf dem Nordatlantik.
Dieser Erfolg mußte aber langsam weniger werden, als das "erste Glied" der U-Boot-Fahrer verschlissen war. Ab Frühjahr 1941 waen viele der U-Boot-Asse entweder auf See geblieben, gefangen ofer gefallen, einschließlich Prien. Die Anzahl fähiger U-Boot-Kommandanten, die die Marineschulen verließen, waren einfach nicht mehr genug, um mit den neuen Anforderungen des U-Boot Krieges zurechtzukommen, wie etwa das Geleit-system,den neuen leistungsfähigen Zerstörern mit ihrem ASDIC- Ortungssystem. Auch wenn sie so tapfer und entschlossen vorgingen wie ihre Vorgänger, so fehlte ihnen doch die Erfahrung aus den vielen Jahren an übungen und Manövern, die ihre Vorgänger aufweisen konnten, um den Druck auf die Konvois zu erhöhen um so den alliierten Schiffsnachschub zu unterbinden.
Der Anfang vom Ende
Während des Kriegsjahres 1941 ging die "glückhafte Zeit", sowohl für die U-Boote als auch für die Kriegsmarine ihrem Ende zu weil ihr wertvollster Besitz, das Schlachtschiff Bismarck am 27. Mai 1941 nach einem der berühmtgewordenen Seegefechte mit 2200 Mann an Bord unterging. Nach diesem schwarzen Tag für die Kriegsmarine führte sie nur noch so etwas wie ein Schattendasein, denn nach diesem Verlust war sie im Vergleich zur Royal Navy nur noch ein Nebenkriegsschauplatz und keine Herausforderung mehr. Die englische Marine konnte ruhig ein, zwei oder mehr Schlachtschiffe verlieren, trotz des Verlustes an Kampfmoral; die Kriegsmarine konnte es nicht. So wurde der Verlust der Bismarck für Raeder und seine Kameraden zum Anfang des Untergangs.
Das legendäre schw. Schlachtschiff Bismarck, dessen Untergang die bereits schwache Position der Kriegsmarine entscheidend weiter schwächte.
Von diesem Zeitpunkt blieb der Kriegsmarine nur noch eine defensive Rolle mit Ausnahme der U-Boote, die trotz dauernder Bedrohung ihrer Besatzungen gute Ergebnisse erzielte, wobei mann nicht vergessen darf, dass von 42000 U-Bootfahrern 37700 auf See blieben, denn die Alliierten holten technisch schnell auf und hatten vor allen den Enigma code entschlüsselt. Durch diese Tatsache bedingt erwarben sie sich die besondere Beachtung durch Hitler, der Dönitz als Obersten Kriegsherrn der Kriegsmarine einsetzte, nachdem Erich Raeder 1943 seinen Rücktritt einreichte.
Der letzte Führer
Als besonders entschlossener und professioneller Soldat blieb Dönitz bis zum Ende des Krieges auf seinem Posten. Dadurch wurde er auch der letzte Kanzler des III. Deutschen Reiches. Auch wenn er sich zu Hitlers Lebzeiten noch gut gegen ihn behaupten konnte, war der Verlauf des Krieges doch nicht mehr aufzuhalten. Bei Einstellung der Kampfhandlungen am 08.05.1945 verfügte die Kriegsmarine noch über zwei im Einsatz befindliche Schiffe.