Günther Prien
"Der Stier von Scapa Flow"
Prien's zweite Feindfahrt erhob den Mann aus dem kleinen thüringischen Städtchen zu einer lebenden Legende, einem Seemann, dem das ganze deutsche Volk mit seinen Führern zujubelte. Nachdem der OB der U-Flotille Karl Dönitz (jetzt selbst Admiral) vorschlug, die englische Nord-Flotte in deren eigenem Hafen Scapa Flow auf den Orkney Inseln anzugreifen, ergriff Prien die Gelegenheit.Bei dem verwegenen Nachtangriff auf den "uneinnehmbaren" Navy-Stützpunkt in der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober 1939 versenkte U-47 das engl. Schlachtschiff Royal Oak, kehrte ungeschoren zum Heimathafen zurück und wurde vom Führer und Volk frenetisch begrüßt.
Links: Der "Stier von Scapa Flow" nimmt eine Begrüßung entgegen. Man beachte das typische Symbol "schnaubender Stier" auf dem Turm, angebracht als Anerkennung der Versenkung der ROYAL OAK. Der "schnaubende Stier" sollte später sogar das Erkennungssymbol der 7. U-Flotille "Weneger" werden. Rechts: der stolze Kommandant im Turm.
Nach der Rückkehr nach Deutschland war Prien der erste Kriegsheld, dem das neu geschaffene Ritterkreuz als höchste Kriegsauszeichnung mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse vom Führer persönlich in Berlin am 18.10.39 verliehen worden war. Unter den Millionen Männern, die in der Wehrmacht dienten oder für Deutschland kämpften, wurden nur 7313 dieser Auszeichnungen vergeben. Der damals in Berlin weilende amerikanische Autor und Journalist William L. Shirer beschrieb Prien und seine Besatzung wie folgt:
Kapitän Prien, der Kommandant des U-Bootes schneite am Nachmittag in unsere Pressekonferenz im Propagandaministerium, gefolgt von seiner Besatzung-lauter Jungs von 18, 19, 20 Jahren. Prien ist dreißig, athletisch, etwas gedrungen ein fanatischer Nazi und offenbar fähig. Vorgestellt durch Hitlers Pressechef, Dr. Otto Dietrich, der dauernd über England fluchte und Churchill einen Lügner nannte, erzählte Prien wenig über seine Taten, außer daß es einfach für ihn war, hinter die Barriere zu gelangen, die die Bucht schützen sollte.Ich hatte den Eindruck, daß er einfach hinter einem englischen Schiff, z.B. einem Minensucher hinterhergefahren ist, obwohl er nichts in dieser Hinsicht sagte. Die englische Nachlässigkeit muß ja wohl groß gewesen sein.
(William L. Shirer, Berliner Tagebuch 1934-1941)
Links: Günther Prien und die Besatzung von U-47 in Berlin vor ihrem treffen mit Adolf Hitler im Oktober 1939 nach der Versenkung der HMS Royal Oak in Scapa Flow. Rechts: Prien wird das Ritterkreuz verliehen.
Nach dem Sieg in Scapa Flow wollte das Propagan daministerium den Erfolg natürlich für seine Zwecke in Anspruch nehmen. 1940 wurde ein vom Ghostwritern geschriebenes, angeblich von Prien verfasstes Buch mit dem Titel: "Mein Weg nach Scapa Flow" veröffentlicht.Das reich bebilderte Buch vermischt Dichtung und Wahrheit zu einer hollywood-mäßigen Heldenverehrung. Darin versenkt Prien nicht nur das Schlachtschiff im Schutze der Dunkelheit, sondern erlebt auch noch eine höchst dramatische Verfolgung durch Zerstörer, die es auf ihn abgesehen haben. Daher bekam Prien auch schnell den vom Volk - und natürlich auch vom Propagandaministerium - geliebten Spitznamen: "der Stier von Scapa Flow". Er selbst allerdings sah die ganze Sache reservierter und stellte immer wieder fest, er sei "ein Offizier, kein Filmstar".
Günther Prien an Bord U-47, beim "klönen" mit seinen Besatzungsmitgliedern. (Dank an Ivan für das Bild)
Von Goebbels Propagandaministerium gefeiert und als leuchtendes Vorbild hingestellt, mußte Prien doch bald wieder auf sein Boot als Teil einer wachsenden Riege von fähigen U-Boot-Kommandanten, die dem Gegner auf seiner atlantischen Nachschubroute größte Verluste zuzufügen verstanden; Verluste die selbst durch die Führer der Alliierten immer wieder als Geißel gebrandmarkt wurden, besonders oft aber von Winston Churchill. Die vielleicht wichtigsten Namen dieser Riege waren Otto Kretschmer (U-99), Herbert Schultze (U-48) und Joachim Schepke (U-100). Direkt nach der Verleihung des Ritterkreuzes wurde Deutschlands berühmtester "Kaleun" mit seiner Besatzung am 16. November wieder auf Feindfahrt in den bereits vertrauten Nordatlantik geschickt. Diese sollte sich als eine einmonatige strapaziöse Fahrt erweisen, auch wenn zwischen 5. und 7. Dezember drei Versenkungen erzielt wurden, und zwar der engl. Frachter Navasota, der norwegische Tanker M/S Britta, und der holländische Frachter Tajandoen.
Zuvor hatte Prien auf dieser Reise am 28 November den Schweren Kreuzer der "London"-Klasse Norfolk angegriffen, der ihm durch U-35 unter Kapitänleutnant Werner Lott per Funk angewiesen wurde (Anm. d. übers.: Lott war "verschossen", hatte keine Torpedos mehr). Prien näherte sich Norfolk äußerst vorsichtig, verfeuerte nur 1 Torpedo, der das Schiff auch offensichtlich traf. Beide Kriegsparteien stellten jedoch das Ergenis dieses Beschusses ganz anders da: während Deutschland die Zerstörung des Kreuzers Norfolk bekannt gab, behaupteten die Engländer, es hätte gar keine Beschädigung gegeben. Am 18. Dezember lief Prien zu einem weiteren Heldenempfang in Kiel ein. Die Besatzung von Lott's U-35 war nicht ganz so glücklich dran: sie wurde am 29. November Opfer eines Luftangriffes. Die gesamte Besatzung konnte gerettet werden, wurden dann im Tower von London eingesperrt und später in ein Kriegsgefangenenlager in Kanada verbracht.
Das Blatt wendet sich: Desaster in Norwegen
1940 war auch das unangenehmste Jahr hinsichtlich der dauernden Probleme mit den Torpedos, die sowohl Prien als auch die anderen Kommandanten erlebten und die als Torpedo Krise in die Geschichte eingehen sollte. Dieses traurige Kapitel begann mit der ersten Feindfahrt im neuen Jahr als vierter insgesamt, wobei bei 19 Seetagen nur der dänische Dampfer Britta versenkt werden konnte. Den Höhepunkt der Krise stellte der Norwegenfeldzug dar, die Operation Weserübung, während der Prien und seine Kameraden mehr als oft genug Fächer auf Fächer gegen den Gegner verschossen, deren Torpedos dann als Frühzerspringer endeten oder überhaupt die Ziele nicht fanden.
Das wohl bezeichnendste Beispiel hatte Prien am Abend des 16. April 1940, als von seinem auf kürzeste Entfernung auf eine stehende wand von geankerten Schiffen abgeschossener Vierer-Fächer überhaupt keine Wirkung erzielte. Völlig unbeeindruckt machte Prien einen neuen Anlauf und verschoß noch einen Vierer-Fächer, wieder ohne Resultat. Schlimmer noch: einer der Torpedos detonierte an der Küste des Fjords und alarmierte die alliierten Zerstörer . Als ob das nicht schon reichen würde, lief U47 auf eine nicht kartografierte Sandbank auf, wobei es eine Maschine beschädigte, sich aber selbst wieder freimachen konnte. Bei dieser Aktion hätte das Ende sehr schnell kommen können, da zwei Schlachtkreuzer im gegnerischen Geschwader fuhren.
Das Problem der Frühzerspringer führte zum Verlust einer Reihe von Booten und selbst Prien hatte großes Glück nach dem Zusammentreffen mit dem Schlachtschiff Warspite , nur ein paar Tage nach dem Desaster am Bydgenfjord. Auf eine Entfernung von nur 900m feuerte er zwei mal 1 Torpedo auf das Schlachtschiff, ohne das ein Torpedo getroffen hätte. Zusätzlich alarmierte ein Frühzerspringer die gesamte U-Jagdgruppe und Prien entkam gewissermaßen "auf dem Zahnfleisch". Am 19.April vertraute er seinen Waffen nicht mehr, da von zehn Schüssen zehn Versager waren. Daher nahm er Abstand von der Verwendung der verbliebenen vier, die man wie sonst gerne auf dem Rückmarsch für einen Konvoi hätte verwenden können. Aber mit der einen beschädigten Maschine wäre das Risiko zu hoch, noch einen Feind anzugreifen. Bei der Darlegung seiner Entscheidung soll das Wort an Dönitz gerichtet gefallen sein, "man könne nicht von ihm verlangen, mit einem Spielzeug zu kämpfen".
Die pannenbehafteten Feindfahrten 4 und 5 waren zweifelsohne der unproduktivste Teil von Priens erfolgreicher Karriere - U-47 hat bei 43 Seetagen und unter Verwendung fast aller Torpedos nur eine Versenkung erzielen können.